Das Thema für das heutige Wort lieferte eine Diskussion auf unserer Facebookseite. Dort hatte ich den Artikel „In einer freien Gesellschaft darf man Religionen verspotten – auch den Islam“ geteilt.
Darauf hin geschah Ungewöhnliches. Facebook, das sonst so auf Werbeeinnahmen aus ist, lehnte die Bewerbung des Artikels ab:

“Deine Werbeanzeige wurde abgelehnt, weil sie gegen unsere Richtlinie zu Wahlwerbung oder Werbung zu politisch relevanten Themen verstößt. ………..Wir haben entweder Technologie oder ein Review-Team eingesetzt, um diesen Verstoß aufzudecken und diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen. Weitere Verstöße gegen unsere Werbestandards können dazu führen, dass dein Konto deaktiviert oder eingeschränkt wird.”

Im Artikel geht es um den Bericht eines „unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit“ und es wird beklagt, nicht jede Kritik am Islam wäre gleich muslimfeindlich.

In einem Kommentar wurde festgestellt, es wäre nicht nötig, Religionen zu respektieren, aber absolut notwendig Menschen zu respektieren. Das sah ich nicht so. Warum sollte ich Frauen mit muslimischem Kopftuch Respekt entgegen bringen? Ich muss die nicht mögen.
Das brachte mir umgehend den Vorwurf ein, Rassist zu sein. Als Humanist müsse man einfach alle Menschen respektieren. In der Folge entwickelte sich eine kontroverse Diskussion.

Eine der Ursachen dürfte im unterschiedlichen Verständnis des Begriffs „Respekt“ liegen. Wie ist der zu verstehen?

Am besten wohl in dem Dreiklang Toleranz, Akzeptanz und Respekt.
Sucht man danach im Internet, gibt es so viele Angaben, dass es schwer fällt, die richtigen heraus zu filtern.
Einfacher ist es eine zwar populäre, aber doch falsche Erklärung zu widerlegen:

„Obwohl es eine Vielzahl von Dingen gibt, die Respekt verdienen, hat sich das zeitgenössische philosophische Interesse an Respekt überwiegend auf den Respekt vor Personen konzentriert, auf die Idee, dass alle Personen mit Respekt behandelt werden sollten einfach, weil sie Personen [Menschen] sind.“

Diese Sicht entwertet den Begriff Respekt komplett. Warum aber sollte man noch einen Begriff verwenden, der wertlos ist?

Die Bundeszentrale für politische Bildung stützt sich auf „Das Politlexikon“ in der 7. aktualisierten Ausgabe. Dort kommt gut rüber, wie das eine jeweils die Voraussetzung für das nächste ist.

Toleranz
T. bedeutet die aktive oder passive Duldung anderer Ansichten und Lebensweisen bzw. die absichtliche oder unbewusste Hinnahme von Entscheidungen und Handlungen, die nicht den eigenen entsprechen, das Gelten lassen anderer Meinungen, Werte und (z. B. religiöser) Orientierungen. Gemeinsam mit den Handlungsmaximen gilt T. als zentrale Grundlage eines friedlichen und erfolgreichen Zusammenlebens in modernen, offenen Demokratien.

Akzeptanz

[lat.: annehmen, billigen] A. bezeichnet die aktive Zustimmung zu den Entscheidungen oder dem Verhalten einer anderen Person oder Gruppe bzw. die bewusste Hinnahme gegebener (sozialer, ökonomischer, politischer) Bedingungen. Aufgrund zunehmender (Bürger-)Proteste bei weitreichenden politischen Entscheidungen (z. B. Bau einer Müllverbrennungsanlage) und den Aktivitäten von Bürgerinitiativen etc. wird die frühzeitige Sicherung der A. der Betroffenen immer wichtiger, um die erfolgreiche Umsetzung politischer Entscheidungen zu gewährleisten.

Respekt

R. bedeutet Achtung oder Wertschätzung gegenüber einer Person, Meinung oder Lebensweise ohne notwendigerweise die entsprechende Ansicht oder Lebensauffassung zu übernehmen. Gemeinsam mit den Handlungsmaximen Anerkennung, Akzeptanz und Toleranz gilt R. als zentrale Grundlage eines friedlichen und erfolgreichen Zusammenlebens in modernen, offenen Demokratien.

Inhaltlich noch besser und verständlicher finde ich das, was openpr dazu schreibt. Am liebsten würde ich das alles hier kopieren, anders als bei den Zitaten der Bundeszentrale für politische Bildung würde ich damit aber gegen Presserecht verstoßen. Lest deshalb bitte unbedingt selbst dort nach.

Damit ist die Frage, was unter Respekt zu verstehen ist, wohl geklärt.
Offen ist noch, ob für Humanisten etwas besonders gilt. Ob vielleicht die einfach alle Menschen respektieren müssen, nur weil sie solche sind?

Wir orientieren uns oft an der Giordano Bruno Stiftung. Dort werden wir unter „10 Fragen und Antworten“ bei Nummer 6 fündig.

Dort finden wir: „Als Humanisten respektieren wir selbstverständlich jeden Menschen als Menschen.“

Das hört sich an, als ob wir das sollten. Zum Einen gehe ich aber davon aus, dass auch hier eine falsche Definition von Respekt zu Grunde liegt, zum Anderen verstehe ich nicht, wieso zwischen dem Menschen als Menschen und dem Menschen als Träger von Religion und Weltanschauung, Moral und Ethik und Zielen und Absichten unterschieden wird. Der Text geht nämlich noch weiter:

„Doch manche Überzeugungen und Handlungen haben keinen Respekt, keine Wertschätzung, verdient. Wir dürfen nicht übersehen, dass die Glaubensüberzeugungen vieler tiefreligiöser Personen menschenverachtende Praktiken legitimieren (etwa die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen) und /oder auf unsinnigen, längst widerlegten Annahmen über die Welt beruhen (etwa der Vorstellung, die Menschheit sei das intendierte Ziel einer planvollen „Schöpfung“, was den Erkenntnissen der Evolutionsbiologie diametral widerspricht). Solch inhumane oder unsinnige Überzeugungen zu respektieren, käme einem Verrat an den Idealen von Humanismus und Aufklärung gleich.“

Danach hört sich der erste Satz doch ziemlich theoretisch an. So, als ob er genau zu Kants Feststellung über den Gemeinspruch passt:

„Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis.“

Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der gbs, meint zu dieser Aussage:
„Bei genauerer Betrachtung hat Kant mit seiner These natürlich Recht. Denn eine gute Philosophie des Humanismus sollte schon auf theoretischer Ebene berücksichtigen, dass ein ausschließlich philosophischer Zugang zum Humanismus in der Praxis scheitern wird.

Was wir Humanisten müssen, ist, die offenen Gesellschaft vor ihren Feinden schützen. Die finden sich reichlich, von fundamentalen Religiösen bis hin zu politischen Extremisten.

Was wir Humanisten müssen, ist Toleranz zeigen.
Toleranz ist die Voraussetzung für eine offenen Gesellschaft und kann gleichzeitig selbst nur in dieser richtig gedeihen. Poper sagt dazu:

„Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“

Unsere Toleranz darf also nicht grenzenlos sein.

Ich verabschiede mich von euch mit dem alten amerikanischen Wort:

„ Do not be so open-minded that your brains fall out.“