Geschwister in Pasta.

Macht mal für den Moment – metaphorisch – die Äuglein zu und stellt euch folgendes vor:
Eure Nachbarn haben einen Sohn. Er ist fünfzehn, aufgewecktes Kerlchen, engagiert sich im Ort, hat Freunde, schraubt in seiner Freizeit gern an Computern herum – und eines Tages wird er krank. Zunächst denken alle, es sei nur ein Infekt. Aber bald schon liegt der Junge auf der Intensivstation, benötigt eine Blutwäsche, fällt ins Koma. Tage später stirbt er an Herzversagen.

Dreizehn Jahre später, ihr habt wahrscheinlich schon eine ganze Weile nicht mehr an ihn gedacht, gehen fleißige Männer und Frauen hin, graben den Jungen wieder aus, behandeln ihn mit allem was die Rekonstruktion so leisten kann, legen ihn in einen gläsernen Sarg und stellen ihn öffentlich aus.

Wenn ihr jetzt noch nicht aus der Hängematte gesegelt seid; guten Morgen.
Genau das ist nämlich mit einem jungen Mann namens Carlo Acutis geschehen. Geboren in London, gestorben in Monza, zur Verehrung ausgestellt in der Kirche Santa Maria Maggiore in Assisi. (Ja, das Assisi mit dem Franzerl)

Als ich neulich Früh, nichtsahnend, beim Frühstück davon las, fiel mir um ein Haar das Brot aus der Hand. In meinem Hinterkopf öffnete sich ein Türchen, ein kleiner Mann schaute raus, und siehe, er sprach: „Hä?“

Halten wir uns das einmal klar vor Augen: Ein Mensch stirbt. Etwas mehr als ein Jahrzehnt später setzen seine Eltern und ein paar Geistliche sich dafür ein, dass er Seliger werden soll. Das passende Wunder ist schnell gefunden (Angebliche Heilung eines Kindes das unter einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse litt.), die Maschinerie läuft auf Hochtouren. Aufgehübscht und konserviert, mit einer Silikonnachbildung als Gesicht, darf man den Jungen nun bestaunen, Selfies machen, ihn anbeten und auf Fürsprache bei Gott hoffen.

In 2020.
NACH Christus, wohlgemerkt.

Und die Gruseltour geht weiter. Glaubt nicht, dass wir es schon überstanden hätten! Ihr kennt das; es gibt immer eine geschmacklose Fortsetzung. So will es das Gesetz.
Wie man nachlesen kann (Für den Überblick empfehle ich Wiki mit zahlreichen Fußnoten), ist Carlo seiner Mutter im Traum erschienen um ihr mitzuteilen, dass er nicht nur selig- sondern auch heiliggesprochen werden wird.

Ich will nicht pampig werden [Ok, vielleicht schon], aber kommt nur mir das wie ganz, ganz miese Trauerverarbeitung vor?

Aber: Es geht immer noch etwas scheußlicher.

In alter Tradition ist Carlo auch nicht mehr vollständig anzutreffen; sein Herz wurde entnommen und wird in einem Reliquiar in einer anderen Kirche (Basilika San Francesco) aufbewahrt.

Und in Brandenburg streitet man sich, ob man von Omma Lieschen ein wenig Asche behalten und als Kapsel bei sich tragen darf. Milligramm anorganischer Staub. Obwohl Omma Lieschen die Idee vielleicht Spitzenklasse fand.

Ich geh mal grad raus und schreie ein bisschen….
… Jetzt kann es weitergehen.

Es ist gar nicht so lange her, da trendete in den sozialen Netzwerken ein Hashtag namens #KircheistZukunft
Wenn das die Vorstellung der Kirche von Moderne und Zukunft ist… Ich weiß auch nicht.

Es gibt bereits offizielle Gebete die Carlos Namen (und den Wunsch ihm ähnlich zu werden) enthalten, und – ohne Mist – eine Webcam die auf sein Grab gerichtet ist. Wahrscheinlich, falls sich da noch ein Wundern tun sollte. Man darf ja nichts verpassen.

Macht die metaphorischen Äuglein lieber wieder auf, sonst träumt ihr noch alb.

Sicher: Carlo war zu Lebzeiten sehr religiös, fühlte sich Jesus eng verbunden… Aber den Jungen deshalb auszustopfen und aufzubahren? Ich will ja niemandes religiöse Gefühle verletzen, aber;
Das verletzt meine humanistischen Gefühle. Und meine Gallenblase auch.

Ich glaube jedenfalls (*ba-da-tzzzzz*), dass eine Kirche, die derlei zulässt, aktiv fördert und feiert, sehr, sehr weit vom Hier und Jetzt, von Realität und Menschenwürde entfernt ist.

Manchmal hilft wirklich nur ein kräftiges ARRRRRRRGH!

– Farfalla Blacksauce, genannt die Kopfschüttelnde