Die Zeiten der Volkskirchen sind vorbei. Noch nie gab es so viele Kirchenaustritte wie im letzten Jahr. Kirchenvertreter sind besorgt und versuchen mit vielen Mitteln gegenzusteuern, im Kirchenkreis Mecklenburg werden sogar 42 Kirchen zu zeitweiligen Kinosälen. Es scheint alles nichts zu helfen, fast die Hälfte der verbliebenen Schäfchen denkt trotzdem daran, die Herde zu verlassen.

Auf der anderen Seite organisieren sich immer mehr Humanisten auf verschiedensten Ebenen. In ihren Organisationen wachsen die Mitgliederzahlen.
Trotzdem scheint beides den Einfluss der Kirchen auf die Politik nicht zu mindern, sondern eher noch zu stärken. Liegt es daran, dass trotz des Wachstums bei den Humanisten deren Gesamtzahl, der Förderkreis der giordano bruno stifung z.B. hat gerade die 10.000erMarke geknackt, im Vergleich doch noch niedrig ist?
Sie können also noch lange nicht den Druck auf die Politik ausüben, wie es der riesige kirchliche Lobbyistenapparat tut.

Mir scheint das nicht die einzige Ursache zu sein. Bald werden die Konfessionslosen bundesweit in der Mehrheit sein, in manchen Großstädten sind sie es schon jetzt. Ob nun traditionell geprägt, als Folge der geschickten kirchlichen Selbstdarstellung oder einfach aus Unwissen über tatsächliche Gegebenheiten, für viele ist klar: Die Kirchen tun doch so viel Gutes.

Es stimmt, die Kirchen tun auch Gutes. Aber sie tun es vor allem mit dem Geld der Anderer, vor allem der öffentlichen Hand. Caritas und Diakonie geben nicht einmal 2% an Eigenmitteln für die Arbeit des jeweiligen Sozialkonzerns auf. Verschwindend wenig für den ungeheuren Werbeeffekt, den sie damit für sich erreichen. Ganz abgesehen davon, dass Kirchen auch einiges tun, was sich als überaus schädlich für die Gesellschaft erweist. Das dürfte das Gute zumindest neutralisieren.

Noch ein zweite Ansicht ist bei Konfessionslosen oft zu beobachten: Ich bin nicht gläubig, was geht es mich also an, was die machen?
Auch hierfür könnte mangelndes Wissen die Ursache sein. Die Kirchen sind so fest in den Gesetzgebungsprozess in Deutschland eingebunden, dass sie über diesen Weg das Leben aller, nicht nur das der Gläubigen, beeinflussen. Ganz massiv sieht man das beim Ringen um die Präimplantationsdiagnostik, damals wie heute. Man sieht es in der Debatte und in der Praxis der Schwangerschaftsunterbrechung und man erkennt es im Ringen um ein selbstbestimmtes Sterben.

Das sind nur die wichtigsten Beispiele, die Kirche hat wirklich überall ihre Finger im Spiel. Oft sogar so sehr, dass selbst ihre Mitglieder nicht damit klar kommen, und dann sagen ausgerechnet Humanisten: “Ach, was geht es mich an, was die Kirche macht?”

Erst wenn wir es schaffen, immer mehr Konfessionslose aus dieser passiven Haltung in eine aktive zu bringen, werden wir es auch schaffen, den Einfluss der Kirchen auf die Politik und damit auf die Gesellschaft, spürbar zu vermindern.