Wir stellen in lockerer Folge ausgewählte Abschnitte einer an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW von Georg Folcz eingereichten Bachelorarbeit vor, in der es um unsere Anerkennung als Weltanschauungsgemeinschaft geht. Der aus Dortmund stammende Autor hat mit 21 Jahren sein duales Studium für die Stadtverwaltung Dortmund zum Bachelor of Laws (Rechtswissenschaften) an dieser Hochschule abgeschlossen. Mit Erfolg, denn er wurde von der Stadt übernommen.

Wir bedanken uns bei Georg für die Bereitstellung der Arbeit und wünschen ihm viel Erfolg. Über Reaktionen würde er sich sehr freuen und bittet, die an folgende Mailadresse zu schicken:   
Zu Teil I
Zu Teil II

Inhalt
1. Einleitung ……………………………………………………………………………………… 3
2. Hintergrund – Die KdFSM ………………………………………………………………4
2.1. Geschichte und Glaubensinhalte ………………………………………………….. 4
2.2. Aktuelle Thematiken ………………………………………………………………….. 8
3. Rechtliche Lage …………………………………………………………………………… 12
3.1. Europarechtliche Anforderungen an die Religionsfreiheit …………….. 12
3.2. Grundrechtliche Anforderungen an die Religionsfreiheit ……………….16
3.3. Religionsfreiheit auf kommunalrechtlicher Ebene ……………………….. 24
3.4. Kritik am derzeitigen Religions- und Weltanschauungsrecht ………… 27
4. Rechtliche Beurteilung der KdFSM ……………………………………………….. 32
4.1 Religions-, Weltanschauungsgemeinschaft oder
Religionsparodie? …………………………………………………………………………… 32
4.2 Schilder Nudelmessen ………………………………………………………………. 40
4.3 Lichtbild mit Kopfbedeckung ………………………………………………….…. 42
5. Die KdFSM in anderen Ländern ………………………………………………..…. 48
6. Fazit …………………………………………………………………………………………… 51
7. Literaturverzeichnis …………………………………………………………………….. 53
8. Abbildungsverzeichnis …………………………………………………………….…… 57

3. Rechtliche Lage

Dieses Kapitel behandelt die rechtliche Handhabe der Religionsfreiheit auf den unterschiedlichen rechtlichen Ebenen. Es sollen zunächst die europarechtlichen Anforderungen, dann die nationalen Anforderungen und zuletzt die kommunalen Voraussetzungen beleuchtet werden. Hierbei wird möglichst darauf geachtet, dass die Merkmale themenbezogen auf diese Arbeit passen. Es wird somit nicht die Gesamtheit der Religionsfreiheit abgedeckt, sondern nur die Aspekte, welche für die Beurteilung wichtig sind, ob es sich bei der KdFSM um eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft handeln kann oder nicht.

3.1. Europarechtliche Anforderungen an die Religionsfreiheit

Auf europäischer Ebene ist zwischen zwei Arten zu unterscheiden. So gibt es zum einen das Europarecht mit der Religionsfreiheit aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und zum anderen die Religionsfreiheit auf EU-Ebene, geregelt in der EU-Grundrechte- Charta (GRCh). Für vermeintliche Verletzungen aus der europäischen Menschenrechtskonvention steht der EGMR zur Verfügung und bei Verletzungen aus der GRCh muss man vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen. Die Gedanken- Gewissens- und Religionsfreiheit ist in Art. 9 EGMR und in Art. 10 Abs. 1 GRCh geregelt. Für die EU-Ebene gilt, dass gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh entsprechende Regelungen aus GRCh und EMRK die gleiche Tragweite und Bedeutung haben30. Art. 10 Abs. 1 GRCh und Art. 9
EMRK sind ein solcher Fall, sogar die Formulierungen sind so gut wie
deckungsgleich. Von daher werden viele Prinzipien und Grundsätze des EGMR übernommen.

Demnach hat gem. Art. 9 Abs. 1 EMRK und Art. 10 Abs. 1 GRCh jede Person das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion und Weltanschauung zu wechseln sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. Art. 9 Abs. 2 EMRK beschreibt, dass Einschränkungen in diese Freiheiten nur aufgrund gesetzlicher Vorschriften erfolgen dürfen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für öffentliche Sicherheit oder Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Für die EU-Ebene gilt diese Regelung entsprechend31. Außerdem erkennt der EGMR für die Gedankenfreiheit keine eigene Bedeutung an und wird somit in der Religion und Weltanschauung aufgefasst32.

Geschützt sind Überzeugungen, welche eine gewisse Triftigkeit, Ernsthaftigkeit, Kohärenz, und Bedeutung erreichen33. Allerdings ließ sich feststellen, dass aufgrund dieses Kriteriums nur selten Überzeugungen ausgeschlossen wurden34. Der EGMR erkennt meistens Gemeinschaften als Religionsgemeinschaften an, wenn diese auch vom einzelnen Staat als solche anerkannt sind35. Doch grundsätzlich gilt, dass Religion und Weltanschauung eine umfassende Deutung der Welt und der menschlichen Existenz beinhalten, aus der sich Anforderungen für das menschliche Leben ableiten lassen36. Besonders hervorzuheben ist, dass zum Recht des
Praktizierens religiöser Bräuche auch das Recht gehört, religiöse

Kleidung oder Haar- und Barttracht zu tragen37. Beispielsweise zählen hierzu auch Kopfbedeckungen. Hierfür gelten allerdings explizit die Einschränkungen nach Abs. 238. Die angestrebte Handlung, wie zum Beispiel das Tragen einer Kopfbedeckung, ist allerdings hinreichend religiös begründet, wenn eine enge, plausible Verbindung mit dem Glauben geltend gemacht wird39. Es ist aber nicht gefordert, dass die Religion diese Handlung vorschreibt40.

Staatliche Eingriffe sind immer dann gegeben, wenn die Gesetze, auf denen der Eingriff beruht, explizit Bezug auf die Religionsfreiheit nehmen41. Außerdem gilt immer der Grundsatz der Neutralität, Behörden dürfen beispielsweise nicht einen von mehreren rivalisierenden Religionsführern bevorzugen42. Die Rechtfertigung von Eingriffen muss im Rahmen der Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft geprüft werden43. Unter diesem Aspekt ist für diese Arbeit besonders die Rechtfertigung bei der Einschränkung des Tragens von religiösen Symbolen interessant. So ist eine derartige Einschränkung zulässig, wenn sie notwendig ist, um Rechte und Freiheiten anderer, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu schützen44. Bei der Notwendigkeit eines Fotos ohne Kopftuch ist ein Eingriff zum Beispiel rechtmäßig45, wie es grundsätzlich auch in Deutschland üblich ist.

Eine Religionsgemeinschaft kann allerdings nur die Rechte ihrer Mitglieder als eigene geltend machen, wenn diese gerade in der kollektiven Vereinigung ihren Niederschlag gefunden haben46.

Unzulässig war beispielsweise die Beschwerde einer Religionsgemeinschaft, dass deren Mitglieder diskriminiert werden47. Menschen haben grundsätzlich das Recht, sich zusammenzuschließen und eine juristische Person zu gründen, welche sogar, sofern der rechtliche Rahmen gegeben ist, als rechtsfähige religiöse Gruppierung eingetragen werden kann48. Hierbei muss der Staat jeder Gruppierung eine faire Möglichkeit geben, diesen Status zu erreichen49. In Deutschland ist es beispielsweise möglich, sich als öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft eintragen zu lassen, die sogenannte kollektive Komponente findet also auch in Deutschland Anwendung. Sollte der Staat diese Eintragung ablehnen, so kann der EGMR dies überprüfen50. Es kommt allerdings bei der Überprüfung, ob es sich um eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft handelt, nicht nur auf das Selbstverständnis an, sondern auch auf objektive Kriterien51. Aus der regelmäßigen Rechtsprechung des EGMR geht außerdem hervor, dass sich Religionsgemeinschaften herkömmlich und weltweit in organisatorischen Strukturen zusammenfinden52. Von diesem Grundrecht jedoch nicht erfasst sind beispielsweise Organisationen, welche sich zwar als religiös bezeichnen, objektiv aber primär der Gewinnerzielung dienen53.

Weitergehend ist in der EMRK die Autonomie religiöser Gemeinschaften für den Pluralismus unabdingbar und gehört zum Wesensgehalt von Art. 9 EMRK54. Das unabhängige Bestehen von Religionsgemeinschaften ist notwendig für den Pluralismus einer demokratischen Gesellschaft55.

30 Jarass, EU-Grundrechte-Charta Art. 10 Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit, Rn. 1.
31 Jarass, EU-Grundrechte-Charta Art. 10 Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit, Rn. 19.
32 Meyer-Ladewig/Schuster, Europäische Menschenrechtskonvention, Rn. 3.
33 Ebd.; EGMR, Urteil v. 1.7.2014, 43835/11 (SAS/Frankreich), Rn. 55, NJW 2014,
2925.
34 Meyer-Ladewig/Schuster, Europäische Menschenrechtskonvention, Rn. 3.
35 Ebd.; EGMR, Urteil v. 1.10.2009, 76836/01, Slg 09-IV Rn. 79-81.
36 Jarass, EU-Grundrechte-Charta Art. 10 Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit, Rn. 6.

37 Meyer-Ladewig/Schuster, Europäische Menschenrechtskonvention, Rn. 5.
38 Ebd.
39 Ebd.; EGMR, Urteil v. 1.7.2014, 43835/11(SAS/Frankreich), Rn. 55ff., NJW 2014,
2925.
40 Ebd.
41 Meyer-Ladewig/Schuster, Europäische Menschenrechtskonvention, Rn. 6.
42 Meyer-Ladewig/Schuster, Europäische Menschenrechtskonvention, Rn. 9.
43 Meyer-Ladewig/Schuster, Europäische Menschenrechtskonvention, Rn. 12.
44 Meyer-Ladewig/Schuster, Europäische Menschenrechtskonvention, Rn. 20.
45 Ebd.; Vgl. die Zusammenstellung in EGMR, Urteil v. 4.12.2008, 27058/05, Rn. 64, NJOZ 2010, 1193.
46 Meyer-Ladewig/Schuster, Europäische Menschenrechtskonvention, Rn. 22.
47 EKMR, Urteil v. 7.4.1997, 34614/97.
48 Meyer-Ladewig/Schuster, Europäische Menschenrechtskonvention, Rn. 23.
49 Ebd.
50 Ebd.
51 Jarass, EU-Grundrechte-Charta Art. 10 Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit, Rn. 6
52 Siehe z.B. EGMR, Urteil v. 08.04.2014, 70945/11, 23611/12, 26998/12, 41150/12,
41155/12, 41463/12, 41553/2, 54977/12, 56581/12, NVwZ 2015, 499.
53 Jarass, EU-Grundrechte-Charta Art. 10 Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit, Rn. 15
54 Meyer-Ladewig/Schuster, Europäische Menschenrechtskonvention, Rn. 24.
55 Ebd.