Dr. Ronald Bilik  ist Vizepräsident des Humanistischen Verbandes Österreichs und Chefredakteur des Verbandorgans “Freidenker”.
Im letzten Jahr hat er mich interviewt und meinte anschließend, das wäre das Interview des Jahres. Vielleicht ist er einfach nur ein höflicher Mensch oder er wusste schon, dass es erst in diesem Jahr in der vorerst vorletzten Nummer der Zeitschrift erscheinen wird. Das ist nun passiert, nun darf auch ich es veröffentlichen und ihr könnt euch selbst ein Bild machen.

Die Religion des Fliegenden Spaghettimonsters (FSM) ist anscheinend die einzige Religionsgemeinschaft, welche auch unter Konfessionsfreien und Atheisten immer mehr Anhänger gewinnt. Wir haben diese Entwicklung zum Anlass genommen, um mit Bruder Spaghettus, dem Gründer der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters in Deutschland, ein Interview zu führen.

FD: Gleich zu Beginn sollten wir die Formalitäten abklären. Da du so etwas wie der Papst der deutsche Pastafaris bist, möchte ich keinen Fauxpas begehen. Reicht die Ansprache „Bruder Spaghettus“ oder ist der Titel „Eure Nudelige Heiligkeit“ eher angebracht?

BS: Bruder Spaghattus passt prima, schließlich steht es so auch auf meinem neuen Ausweis. Wir sind alle gleich, haben keine Titel und wenn sich doch mal wer einen gibt, ist der bedeutungslos

FD: Dann ist ja alles Pasta. Wie kam es zur Gründung der Kirche des FSM? War das eine spontane Idee, oder gibt es hierzu eine Legende oder gar eine übersinnliche Erscheinung bzw. ein Erweckungserlebnis?

BS: Ohne etwas Geist geht nichts. Bei uns kommt der meist in Form bestimmter Getränke.
In dem Fall hatten die aber nichts meiner Erweckung zu tun. Die kam durch den Spiegelartikel „Mein Gott, ein Nudelmonster!“ Ende 2005. Noch im selben Jahr gründete ich die Gemeinde Uckermark. Danach entstanden noch Gemeinden in Berlin und im Barnim und diese drei Gemeinden gründeten dann 2006 die „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Berlin – Brandenburg“ als einegetragenen Verein.

Später öffneten wir uns deutschlandweit und wurden zur „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland“. Das müsst so um 2011 gewesen sein. In dem Jahr wurden wir auch, nach unserem ersten Rechtsstreit, als gemeinnützige Körperschaft anerkannt.

FD: Wie viele Anhänger hat die Kirche des FSM derzeit in Deutschland?

BS: Das lässt sich schwer sagen, allein auf unserer Facebookseite haben wir über 12.000. Als wir unseren ersten Aufruf machten, uns zu helfen 1600,- Euro für den nächsten Rechtsstreit aufzubringen, hatten wir die nach nicht einmal zwei Wochen zusammen. Das zeigt nicht nur, was wir machen, wird gebraucht, sondern auch, auf unsere Anhänger ist Verlass.
Einige von ihnen sind auch in den Verein eingetreten. Da haben wir knapp 400 Mitglieder.

FD: Nur zur korrekten spaghettolgischen Einordnung. Du hast dich – ebenso wie Niko Alm – mit deiner religiösen Kopfbedeckung auf dem Personalausweis ablichten lassen. Das machen aber nicht alle Pastafaris. Ist das jetzt noch der orthodoxe Pastafarismus oder schon eine Abspaltung? Würdest du dich als Pastafari almistischer Prägung definieren oder gibt es da doch zu große spaghettologische Differenzen?

BS: Leider haben es weder Niko noch ich mit der Kopfbedeckung auf den Ausweis geschafft, sondern nur auf die Fahrerlaubnis. Dass ist besonders in Österreich ein großer Unterscheid. Irgendwie gibt es da eine Gesetzeslücke. Es wurde vergessen festzulegen, dass für das Führerscheinbild die gleichen Vorschriften wie für den Ausweis gelten. Zum Glück, denn sonst hätten Niko und andere Österreicher es sehr viel schwerer gehabt.
Aber Nikos Aktion war für mich tatsächlich der Anlass, es selbst auch zu probieren. Ich habe damals aufgefordert, es ihm nach zu machen. Allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Mit einem Piratenhut oder -tuch auf dem Kopf, nicht mit einem Nudelsieb. Das Monster möchte uns als Piraten sehen, nicht als Geschirrständer.

FD: Gibt es schon Abspaltungen bzw. Häretiker? Und wenn ja, seid ihr eine Religionsgemeinschaft, welche Abtrünnige verfolgt oder lasst ihr auch Abweichler frei nach Lust und Laune herumnudeln?

BS: In den USA gibt es die unterschiedlichsten Gruppierungen. Das hat aber mehr mit dem Nachahmen der vielfältigen Formen des Aberglaubens dort zu tun, als mit Häresie. Die bisher größte ist wohl die Nudelsieberei. Wir hattten damals tatsächlich ein bisschen Angst, dass es irgendwie zur Spaltung zwsichen Alt- und Neugläubigen kommt, bis 2011 waren ja alle Pastafari Piraten. Mit meiner Arbeit „Die Rolle des Nudelsiebs im Pastafaritum“ habe ich dazu beigetragen, das zu verhindern.

Wir sind also nachsichtig mit Almisten, so nennen wir die, die nicht dem Monster, sondern Niko Alm folgen. Auch wenn wir in Deutschland das Nudelsieb lediglich in der Küche oder als Kircheglocke akzeptieren, können andere das anders machen. Die internationale Zusammenarbeit, die sich schon eine Weile entwickelt, wird dadurch nicht gestört. Erst neulich habe ich z.B. einen Gastbeitrag für den Blog der österreichischen Kirche geschrieben und auch gute perönliche Kontakte.

FD: Besteht bei euch in irgendeiner Form die Gefahr der Radikalisierung? Sprich: Ist damit zu rechnen, dass in irgendwelchen Hinterhöfen eine fundamentalistische Auslegung gelehrt wird, durch welche Jugendliche in radikaler Weise mit schwarzen Nudelmessen eingekocht werden können? Oder ist damit zu rechnen, dass sich ein Pastafari in die Luft sprengt und damit pastarisiert?

BS: Hey, wir sind Piraten, da kann es gar nicht radikal genug zugehen. Weder an Deck noch in der Kombüse und wenn der Smutje die Sepianudeln so schmackhaft hin bekommt, dass das Gewürz der Aufklärung damit gut unter die Leute gebracht werden kann, ist alles erlaubt.

Außer natürlich hauen, stechen, schießen, sprengen und solche abartigen Sachen.

FD: Es gibt ja, wie wir noch unten ausführen werden, einige diskriminierende Maßnahmen seitens der Behörden. Da stellt sich für den Außenstehenden doch die Frage, ob eure Toleranz nicht ein Wettbewerbsnachteil ist. Im Gegensatz zu staatlich alimentierten Mitbewerbern sehe ich bei den Pastafaris auch keine Ansätze von Frauenfeindlichkeit,Homophobie, Antisemitismus oder dem Streben nach Weltherrschaft, denn ihr wollt offenbar kein weltweites Pastafariat errichten. Es ist auch kein Gegensatz in eurer Lehre zu den Menschenrechten zu erkennen. Wäre es hier im Sinne des Benchmarkings nicht doch effizienter, wenn man fundamentalistischer und intoleranter auftreten würde?

BS: Eine interessante Frage. Ich müsste unsere Wissenschaftler, wir sind ja die einzig wissenschaftliche Religion, dazu befragen. Oder ich könnte geistige Getränke zu mir nehmen. Gibt das eure Spesenkasse her?
Es könnte allerdings gut sein, dass sich bis zur Antwort der Mitbewerb wegen Abhandenkommens der anderen Teilnehmer schon erledigt hat.

FD: Da wir beim Thema Diskriminierung sind: Im Gegensatz zu Ordensleuten, darfst du (auf deinem Personalausweis) den Titel „Bruder Spaghettus“ nur als Künstlernamen führen. Fühlst dich dadurch religiös diskriminiert und in deinen religiösen Gefühlen verletzt?

BS: Unbedingt, und ich finde das scham- und rücksichtlos.
Andererseits hat es natürlich auch was für sich, offiziell als Lebenskünstler anerkannt zu werden.

FD: Deine Religionsgemeinschaft unterbreitet – wie auch der Mitbewerb – allen Interessierten und Gläubigen ein spirituelles Angebot. Grundsätzlich kann jeder an euren Nudelmessen teilnehmen. Du hast aus diesem Grund auch an der Ortseinfahrt in Templin ein entsprechendes Hinweisschild angebracht, welches Passanten und Autofahrer auf die Nudelmesse hinweist. Dieses führte zu einem Rechtsstreit. Kannst du uns bitte den Hergang und den aktuellen Stand der gerichtlichen Auseinandersetzung schildern?

BS: Oops, wieviel Seiten hast du zur Verfügung?
Wir hatten die offizielle Genehmigung der örtlichen Straßenmeisterei unsere Schilder an den gleichen Masten wie die Kirchenschilder anzubringen und das auch getan. Die Kirchen sind Sturm dagegen gelaufen. Teilweise zu Recht, den die Masten für die Schilder waren ihr Eigentum, sie konnten also auch entscheiden, wer da hängen darf. Wir haben uns mit dem Direktor des Landesbetriebs Straßenwesen und dem Templiner Bürgermeister getroffen und vertraglich vereinbart, wir bekommen eigene Masten im Umfeld der Kirchenmasten. Inzwischen hatten die Kirchen die Sache sogar in den Landtag Brandenburgs getragen. Die Kulturministerin, Schwester einer Bischöfin , hat entschieden, wir wären keine Religionsgemeinschaft. Das war eigentlich bedeutungslos, denn wir hatten die neue Genehmigung ausdrücklich als Weltanschauungsgemeinschaft bekommen. Auf resortübergreifende Weisung dieser Ministerin zog der Landesbetrieb Straßenwesen dann doch seine Genehmigung zurück. Dagegen sind wir vor Gericht gegangen, haben in Deutschland in allen Instanzen verloren. Wir wären keine Weltanschauungsgemeinschaft. Eine entsprechende Klage vor dem Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte wurde wegen eines Formfehlers abgewiesen.

Gerade wurde ein weiteres Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Potsdam, ebenfalls wegen Anerkennung der Weltanschauungsgemeinschaft, abgewiesen. Wir bereiten erneunt die Klage für das Verfassungsgericht vor und wergen ggf. wieder vor den EuGM ziehen.

FD: Was genau sind die Ziele der Kirche des FSM´s? Was wollt ihr in Deutschland bzw. in der „Weltmission“ erreichen?

BS: Die „Weltmission“ gibt es nicht. Die Ziele in den einzelnen Länder sind sehr unterschiedlich. In Neuseeland ist das FSM nicht nur als Kirche anerkannt, es entwickelt sich leider auch tatsächlich zu einer. In Polen ist das FSM eher gesellschaftliches Sammelbecken, wir in Deutschland sind weltweit die einzigen, die offen sagen, wir benutzen die Parodie nur als Mittel, um andere Ziele zu erreichen.
Da wäre zuerst die Verbreitung des evolutionären Humanismus, da arbeiten wir eng mit der Giordano Bruno Stiftung zusammen. Gleichzeitig wollen wir zeigen, wie Religion und Kirche funktioniert und wie lächerlich beide bei einem Blick von außen sind.
Wir wollen aber auch entwickeln. So schenken wir z.B. der Stadt Templin, unserem Vereinssitz, zum 750 Geburtstag einen Evolutionsweg. Die Annahme dieses Geschenkes zeigt, wie unsere Anerkennung als gesellschaftlicher Akteur inzwischen gestiegen ist.

FD: Wie sieht der religiöse Alltag bei euch aus? Gibt es Feiertage, gemeinsame Rituale etc?

BS: Wir haben von Anfang an auf Rituale gesetzt. Die machen nicht nur Spaß, die halten auch zusammen. Wir bieten alles: Hochzeiten, Taufen, Nudelmessen und, wenn dann der Bedarf kommt, auch Beerdigungen.

FD:Ich habe gesehen, dass du weltweit unterwegs bist und dich international vernetzt. Wie ist so dein Eindruck von der weltweiten Pastafarigemeinschaft?

BS: Wir haben sehr gute Kontakte zur italienischen Kirche, mit der wir die “Pastachse Rom – Berlin” begründet haben. Auch zu Österreich gibt es persönliche Kontakte und auch zu Russland, Dänemark und Polen haben wir freundschaftliche Beziehungen.
Außerdem haben wir das „International Captains Conclave“ in dem wir uns über die Situation in den einzelnen Ländern austauschen. Die ist, abhängig von gesetzlichen Voraussetzungen und den jeweiligen Gründern, recht unterschiedlich. Gemeinsam ist allen bis auf uns, das Streben, als als Kirche anerkannt zu werden. Geschafft hat das meines Wissens bisher nur Neuseeland und Taiwan. Selbst im Mutterland USA hat ein Gericht entschieden, das Pastafaritum ist keine Religion.
Die Taiwanesen bekennen sich, wie wir, klar zum Humanismus, Neuseeland scheint sich tatsächlich zur Religion zu entwickeln, was mir Sorge macht. Wir brauchen nicht mehr Religion, auch keine gute, sondern weniger.

 

FD: Wie würdest du die Kirche des FSM bezeichnen? Ist das eine normale Religion, eine Spaßreligion oder eine Religionsparodie?

BS: Das sieht wohl jeder ein bisschen anders. Daniela Wakonigg hat dazu ein tolles Buch geschrieben das zeigt, warum sowohl Religion als auch Parodie denkbar sind. Nur mit Spaßreligion kann ich überhaupt nichts anfangen. Zwar haben wir viel Spaß bei dem, was wir tun, aber das ist nicht der Zweck des Tuns.
Wir in Deutschland gehen sogar noch einen Sonderweg, in dem wir uns klar als Weltanschauungsgemeinschaft sehen, die die Religionsparodie nur nutzt, um ihre eigentliche Botschaft, den evolutionären Humanismus, unter die Leute zu bringen.
Ich persönlich bin also ganz klar bei Religionsparodie und ich hoffe sehr, es wird nie wirkliche Religion daraus.

FD: Weil wir gerade beim Thema Spaß sind. Bei allem Sinn für Humor brennt dein Herz für die säkular-humanistische Sache. Soweit ich gesehen habe engagierst du dich etwa auf Facebook in ausgesprochen seriöser Weise hinsichtlich (religions-) kritischer Themen wie etwa Alternativmedizin, Islam oder Einwanderungspolitik. Können die Mitglieder deines Netzwerkes mit dieser Dipolarität umgehen oder gibt es da Missverständnisse und Differenzen?

BS: Ich versuche da klar zu trennen und poste Sachen, die nicht unbedingt zum Pastafaritum gehören, nur auf meinem privaten Profil. Auch wenn selbst das manche stört, da müssen die halt durch. Natürlich gibt es auch wegen islamkritischer Haltung gelegentlich Anfeindungen. Tatsächlich bin ich eher abrahamitenkritisch, und mache einfach auch für den Islam keine Ausnahme. Warum auch? Es ist die abrahamitische Religion, die gerade am meisten auf Expansionskurs ist.

FD: Wir haben jetzt einen umfassenden Einblick in eure Religionsgemeinschaft erhalten. Da unsere Leserschaft sehr kritisch ist, müssen wir davon ausgehen, dass sich nicht alle zum Pastafarismus bekehren lassen. Den FSM-Gläubigen wird im Jenseits ein Biervulkan und eine Stripperfabrik versprochen. Welche jenseitigen Nachteile haben die Ungläubigen zu erwarten? Muss unsere Leserschaft – ebenso wie etwa bei der abrahamitischen Konkurrenz – mit ewigen Höllenstrafen rechnen oder habt ihr da bessere Zukunftsaussichten für uns?

BS: Wen es ganz hart erwischt, der wird zum Pinguin verwandelt und muss in die Antarktis. So ging es den ersten, von IHM erschaffenen Menschen, den Liliputanern, weil sie immer nur rumgenörgelt haben, dass sie so klein sind. Normale Ungläubige werden eher nur wenig gestraft und kommen ebenfalls an den Biervulkan und in die Stripperfabrik. Allerdings ist bei denen ist dann das Bier schon mal schal und die Stripperfabrik nicht frei von Geschlechtskrankheiten.

Ihr seht also, ES ist nicht nur der liebe Gott, sondern kann auch mal richtig böse werden. Ganz besonders, da ist das Evangelium völlig eindeutig, wenn wir nicht die richtige Kleidung tragen:
” Außerdem zeugt es von mangelndem Respekt, unseren Glauben zu verbreiten, ohne das Ornat Seiner Wahl zu tragen – die Kluft der Piraten. Das lässt sich gar nicht genug betonen, allerdings leider nicht näher erklären, weil hier der Platz dazu nicht reicht. Die präzise Erklärung lautet:

ES wird böse, wenn wir es nicht tun.”

FD: Vielen Dank für dieses informative Interview. Gibt es eine pastafarikonforme Danksagung wie etwa das bekannte „Vergelt´s Gott“?

BS: Ich verstehe die Frage nicht. „Vergelt´s Gott“ ist doch eine uralte pastafarianische Danksagung. Schließlich gibt es nur den einen, wer sollte also sonst gemeint sein, außer IHM, dem Fliegenden Spaghettimonster?