Heute möchte ich euch die sehr alte
Geschichte vom alten Niklas erzählen. Die wenigsten kennen sie noch,
aber irgend wie kommt sie euch sicher ein wenig bekannt vor.
Niklas war Pirat und Pastafari wie du
und ich. Er fuhr jahrein, jahraus zur See und konnte sich nichts
besseres vorstellen. Am wohlsten fühlte er sich, wenn er in die
Masten steigen konnte. Je stärker der Wind blies, desto besser
fühlte er sich. Klettern konnte er wie ein Affe. Immer war er
zuerst am Mastkorb, hielt Ausschau nach allem, was er mit bloßem
Auge erfassen konnte. Sehnsucht nach dem Land verspürte er nicht,
war rundum glücklich und zufrieden mit seinem Platz in der Welt.
Leider hält das Leben nicht immer nur
Gutes für einen bereit. So kam es, dass bei einem sehr heftigen
Orkan auf Deck alles drunter und drüber ging. Hohe Wellen schlugen
über das Schiff. Das Wasser spritzte nur so. Die gesamte Mannschaft
war auf Deck, um dem Orkan die Stirn zu bieten. Den Bruch eines
Mastes konnten sie jedoch nicht verhindern. Er krachte auf die
Planken, riss einige Piraten zu Boden und landete mit voller Wucht
auf dem linken Bein von Niklas. Das ging nicht gut aus. Das Bein war
gebrochen, ein offener Bruch. Natürlich wurde er sofort von der Last
des Balkens befreit und unter Deck gebracht. Mit einer medizinischen
Versorgung, wie wir sie heute kennen, konnte er allerdings nicht
rechnen. Es dauerte nicht lange und eine schlimme Entzündung plagte
ihn. Weit weg vom Land blieb letztlich keine Wahl. Das Bein musste
amputiert werden, wollte man ihn retten. Also geschah es.
Wir alle kennen lustige Bilder von
Piraten mit Holzbeinen. In Wahrheit aber sah es um die nicht mehr so
lustig aus. Sie mussten lernen, sich mit einem Bein und Krücken
fortzubewegen. Auf Schiffen waren sie oft nur noch ein Hindernis.
Dann wurden sie künftig an Land gelassen und mit Aufgaben betraut,
die sie noch bewältigen konnten. Hängen gelassen wurden sie nicht.
Pastafari waren schon immer füreinander da.
Niklas wurde also eine Landratte. Er
flickte Fischernetze, reparierte kaputte Waffen, strickte warme
Pullover und Mützen für seine Kameraden oder unterstützte die
Weiber in seinem Dorf, wenn die anderen Piraten auf See waren. Zu tun
gab es wirklich genug für ihn.
Sah man ihn allerdings in der
Abenddämmerung auf der Bank vor seiner Kate sitzen, machte er keinen
sehr glücklichen Eindruck. Oft zog er dann den Stiefel von seinem
gesunden Bein, streckte es aus und beobachtete traurig die Bewegung
seiner Zehen. Blickte er auf, starrte er wehmütig aufs Meer. Meist
nickte er irgendwann auf seiner Bank ein, bis ihn die Kälte weckte.
Es dauerte nicht lange und man begann
über ihn zu tuscheln. Saß man abends noch auf einen Plausch in
irgendwo beisammen, sprach man schon über ihn. Auch in der
unmittelbaren Nachbarschaft war er eines Abends Thema. Einige Weiber
fanden sich bei Peppi, der Frau seines Nachbarn ein. Peppi hatte ihre
drei Jungen ins Bett geschickt und freute sich auf ein gemütliches
Schwätzchen unter Freundinnen. Sie glaubte, dass die schon lange
schliefen, wie das Jungen im Alter zwischen 6 und 9 Jahren in der
Regel tun. Die aber lauschten neugierig dem Gerede der Erwachsenen,
die sich langsam Sorgen um Niklas machten. Da die Kinder nicht jedes
Wort verstehen konnten, glaubten sie, dass die Gemeinde der Pastafari
mit Niklas nicht einverstanden war, weil er durch sein Verhalten die
gute Stimmung drückte.
Die drei Lausbuben glaubten nach
ihrem Lauschangriff im Recht zu sein, Niklas etwas zu ärgern. Ihre
kindlichen Streiche drehten sich häufig um den Stiefel von Niklas.
Sie versteckten ihn, buddelten ihn bis zur Hälfte in dem kleinen
Blumenbeet vor dem Haus ein, stopften alles Mögliche und Unmögliche
hinein oder stülpten ihn gar auf einen Ast des in der Nähe
stehenden Baumes. Immer wieder hatten sie neue Ideen, warteten dann
vom sicheren Versteck aus auf das Erwachen von Niklas und lachten
sich eins. Sie prahlten damit sogar vor den anderen Kindern, die sich
bald anschlossen.
Niklas beschwerte sich nicht, wurde
aber noch trauriger, denn er hatte den Kindern ja nichts getan. Ganz
langsam hegte er eine Abneigung gegen alle Kinder der Siedlung.
Als dann Ende November/Anfang Dezember
alle Piraten die Saison auf See beendeten und zu ihren Familien
zurück kehrten, wurde wie immer ein großes Begrüßungsfest am
Lagerfeuer abgehalten. Natürlich wollte da auch Niklas nicht fehlen.
All die Geschichten, die er nun zu hören bekam, ohne selbst dabei
gewesen zu sein, brachten ihn doch dem Fahren auf dem Meer ein
kleines Stück näher.
Es wurde gemütlich und warm am Feuer.
In alter Gewohnheit zog Niklas seinen Stiefel aus. In alter
Gewohnheit konnten die Nachbarjungen nicht widerstehen, ihm einen
Streich zu spielen. Sie suchten einen alten Zapfhahn aus dem
Schuppen, bohrten ein Loch in den Stiefel und steckten den Zapfhahn
dort hinein. Dann füllten sie den Stiefel mit Bier und stellten ihn
mitten auf die Festtafel. Es dauerte ein Weilchen, ehe der Streich
bemerkt wurde. Es dauerte aber nicht lange, die Übeltäter
auszumachen und sie zur Rede zu stellen. An der Feier durften die
drei Witzbolde nicht mehr teilnehmen und wurden gleich in die Kate
geschickt. Das hatten sie nun davon. Alle anderen hörten schöne
Geschichten, sangen und tanzten bis in die Nacht hinein und sie
drückten sich die Nasen an der Fensterscheibe platt.
Am kommenden Morgen knöpfte ihr Vater
sie sich nochmals vor, wollte genau wissen, was sie sich dabei
dachten und hielt ihnen anschließend eine Standpauke, die sich
gewaschen hatte. Langsam begriffen die Jungen, dass Pastafari niemals
Leute, die anders sind, anders denken oder anders aussehen,
erniedrigen, ärgern oder veralbern. Der Vater trug seinen Söhnen
auf, sich bei Niklas zu entschuldigen und sich wieder mit ihm zu
versöhnen. Das fiel den Jungen sehr schwer. Sie schämten sich und
versuchten sich deshalb zu drücken. Also besprachen sie miteinander,
wie sie es wohl am besten anstellen sollten. Bald hatten sie die
rettende Idee.
Als Niklas wieder auf seiner Bank
eingenickt war, stibitzten die Jungen erneut den Stiefel, putzten ihn
blitzblank, füllten ihn mit Obst, Gebäck, Nüssen und sogar einem
Glas Marmelade und einer Flasche Wein. Dazu schrieben sie eine lange
Entschuldigung und stellten schnell den Stiefel vor die Tür, damit
Niklas ihn beim Aufwachen auch ja gleich fand. Sein Erwachen
warteten sie diesmal lieber nicht ab.
Als Niklas wach wurde und den Stiefel
fand, huschte ein sehr glückliches Lächeln über sein Gesicht. Noch
in dieser Nacht, es war der 5. Dezember, begann er den Ofen zu heizen
und eine Riesenschüssel Pfefferkuchen zu backen. Als sie im Ofen
waren, setzte er sich an den Tisch und schrieb auf, was er erlebte.
Er schrieb sich seinen ganzen Kummer von der Seele, schrieb aber
auch, wie sehr er sich über die Aufmerksamkeit der Kinder freute und
wie er sich revanchieren wird. Dann stopfte er das beschriebene
Papier in eine Flasche und verschloss diese sorgfältig.
Die Pfefferkuchen waren inzwischen
fertig. Er nahm sie aus dem Ofen und wickelte jeden in ein Stück
Papier. Dann wühlte er alle linken Socken aus seiner Truhe. Er
brauchte sie ja schon lange nicht mehr und sockenfressende Monster in der Waschmaschine gab es damals noch nicht. Jeder Pfefferkuchen wurde in
einen Socken gestopft und anschließend in einen großen Korb gelegt.
Die Flasche kam dazu. Niklas zog sich warme Sachen an und verließ
die Kate, um an jede Klinke der Häuser seiner Siedlung, in denen es
Kinder gab, die Socken mit den Pfefferkuchen zu hängen. Jedes Kind
sollte bedacht werden. Auf diese Art wollte er ihnen zeigen, dass er
nicht mehr traurig ist.
Bevor Niklas wieder in die warme Kate
zurückkehrte, schmiss er seine Flasche weit hinaus ins tosende Meer.
Er war nun mit sich und der Welt im Reinen.
Am Morgen des 6. Dezember gab es nur
glückliche Kinder.
Die Flasche muss irgendwo gestrandet
sein, wo man die Botschaft von Niklas übernahm. Warum sonst werden
überall am 05. Dezember geputzte Stiefel vor die Tür gestellt, die
dann am anderen Morgen mit Süßigkeiten gefüllt sind?
Euch ein schönes Erstes Pastat und
natürlich auch einen Pfefferkuchen in Stiefel oder Socke.