Auf der Suche nach einem Thema zum heutigen Wort bin ich auf einen interessanten Artikel gestoßen. In Indien eskaliert gerade der Streit darum, ob es an Schulen erlaubt sein muss, den Hijab zu tragen. Bisher ist es, Indien gilt als säkularer Staat, verboten. Auslöser des Streites, der sogar zu einer dreitägigen Schulschließung in einem Teilstaat geführt hat, war der Protest dreier Musliminnen, die mit diesem religiösen Symbol am Unterricht teilnehmen wollten.

Insgesamt, finde ich, zeigt der Artikel sehr gut, wie Religionen die Gesellschaften teilen. Jede Seite hat ihre Anhänger und die nutzen das Thema kräftig, den Konflikt anzuheizen. Nationalistische Hindus sind dagegen und legen sich eigene Symbole zu, muslimische Gruppierungen natürlich dafür.

Worüber ich aber in dem Artikel gestolpert bin, ist folgender Abschnitt:
“Der indische Nobelpreisträger und Denker Amartya Sen schrieb in seinem Essay «The Argumentative Indian» einst, dass der indische säkulare Staat nicht mit dem westlichen vergleichbar sei, beispielsweise mit dem französischen Laizismus, der jede Zurschaustellung von Religion aus öffentlichen Einrichtungen verbanne. Vielmehr interpretiere man in Indien den Säkularismus als «Neutralität»: Der Staat nehme eine Äquidistanz zu allen Religionen ein.”

Laizismus als eine Unterform des Säkularismus? Eine Sichtweise, die ich auch bei einem Nobelpreisträger nicht akzeptieren kann.

Meine ist eine andere.
Da ist Säkularismus eine gesellschaftliche Entwicklung. Aus verschiedensten Gründen verschwindet die Bedeutung der Religion in der Gesellschaft immer mehr. Staaten entwickeln sich also durch gesellschaftlichen Druck zu säkularen Staaten. Ihr Rechtssystem trägt dem Rechnung und wird nach und nach angepasst.
Laizismus ist eine Bewegung, die Religion als gesellschaftsschädlich erkannt hat und sie deshalb völlig aus dem öffentlichen Raum verbannen möchte. Religiöse Organisationen dürfen sich nur noch um ihren Kernbereich kümmern und haben keinerlei Zugriffsrechte auf den Staat und seine Entscheidungen mehr.
Laizistische Staaten reagieren also nicht auf gesellschaftliche Entwicklungen, sondern setzen die durch entsprechende Gesetzgebung selbst in Gang.

So weit, so gut. Aber es gibt auch noch Säkularität und Laizität. Wie stehen die im Verhältnis zu Säkularismus und Laizismus? Sind das jeweils die Ideologien, die  die Bewegungen verfolgen? Nach meiner obigen Definition folgt Säkularismus aber keiner Ideologie.

Ich habe versucht, die Lösung im Internet zu finden. Zuerst beim hpd. Der Artikel hat mich eher verwirrt als weiter geholfen. Nun wurde die Suchmaschine angeworfen und die hat mehr gefunden, als ich erwartet habe. Allerdings auch keine Lösung für meine Frage, es gab zu unterschiedliche Aussagen.
Gut gefallen hat mir immerhin das hier. Vielleicht auch, weil dort betont wird, dass Laizismus von beiden Seiten sowohl das Aushalten des Fortbestehens eines Dissenses als auch Toleranz verlangt. Der dabei erfolgte Verweis auf eins meiner Lieblingszitate war das Sahnehäubchen:

„Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet und die Toleranz mit ihnen.“
Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 1945

Mein Problem ist aber immer noch nicht geklärt.

Was denkt ihr darüber? Habt ihr irgendwelche Ansätze oder gar Lösungen zur Definition von Laizismus, Säkularismus, Säkularität und Laizität?
Müssen wir überhaupt versuchen, das möglichst genau zu definieren?

Ich würde mich sehr über eure Kommentare freuen.