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Meine Diskussion mit Sven Speer  war schon einmal Thema im Wort zum Freitag. Die Antwort auf diesen Beitrag im Forum offene Religionspolitik ist, finde ich, auch ein gutes Wort zum Freitag.
Hallo Herr Speer,
nachdem wir in der Vergangenheit fast immer gegensätzlicher Meinung waren, freue ich mich heute ganz besonders, dass ich Ihnen in einem wesentlichen Punkt Ihrer Ausführungen zustimmen kann, nämlich in Ihrer Definition von staatlicher Neutralität: „Ein Neutrum ist weder männlich noch weiblich. In einem Krieg ist ein neutraler Staat unbeteiligt. Eine neutrale Lösung ist weder sauer noch basisch. Während der Begriff der Neutralität vom Ursprung her immer ein „weder noch“ kennzeichnet…“
Genau so muss es sein. Sich neutral zu verhalten, bedeutet nicht alle in einem Krieg beteiligten Staaten gleich stark zu unterstützen, auch nicht, nach welchen Kriterien auch immer, unterschiedlich stark, sondern überhaupt nicht. Das ist, abgesehen vom Sinn der Neutralität an sich, gleichzeitig die einzige Möglichkeit, sich auch praktisch wirklich neutral zu verhalten. 
Ich finde es toll, dass Sie hier nun auch die Position vertreten, die ich schon immer hatte und die Sie früher noch ausgeschlossen hatten. Die Position, das staatliche Neutralität also bedeutet, keinerlei Unterstützung für irgend eine Weltanschauung zu leisten.
Weg also mit den kirchlichen bzw. religiösen Sonderrechten, weg mit der Finanzierung von Religionsgemeinschaften aus dem Staatshaushalt, weg mit dem Sonderstatus der Körperschaften des öffentlichen Rechts und Eingliederung aller Religionsgemeinschaften unter das Vereinsrecht. 
Das ergibt sich nahezu logisch aus der beschriebenen Neutralität, weshalb ich über den Punkt 22 Ihres Folgeartikels sehr erstaunt bin. Zum einen, weil Sie da die Fortführung der Leistungen des Staates an die Kirchen bejahen und sogar deren Ausweitung fordern, zum anderen, weil Sie da von Regeln sprechen, nach denen die angeblich geleistet werden. Diese Regeln gibt es nicht. Die Höhe der Zahlungen hängt einzig vom Erfolg der Lobbyarbeit der jeweiligen Kirche ab.
Sehr gefreut habe ich mich über Punkt 24. Allerdings nur, weil Sie uns Pastafari in Ihre Überlegungen einbezogen haben. (Die tragen übrigens keine Nudelsiebe. Das tun nur die Almisten. Pastafari sind Piraten, keine Geschirrständer.)
Natürlich ist das Anliegen von Gläubigen berechtigt, auch auf ihren Ausweisen so dargestellt zu werden, wie sie sich ständig in der Öffentlichkeit bewegen. Aber das darf nicht über religiöse Sonderrechte gewährleistet werden, sondern über völlige Freigabe von Kopfbedeckungen, die ständig getragen werden. Egal ob es sich da um religiöse handelt oder nicht.
Aber zurück zu den ersten Themen. Ihre Gleichsetzung von Religion und Nichtreligion, auf der Ihre weitere Argumentation aufbaut, halte ich für eine fehlerhafte Grundlage. Der Staat verhält sich nicht grundsätzlich zu Religion, sondern zu ganz bestimmten Religionen. Er führt, was ich ebenfalls für fragwürdig halte, der er ja den Inhalt von Religionen gar nicht beurteilen darf, sogar Listen dieser „anerkannten“ Religionen.
Ebenso wie der Staat sich nicht grundsätzlich zu Religion verhält, hat er sich auch nicht grundsätzlich zu „Nichtreligion“ zu verhalten, sondern zu Weltanschauungen. Es geht nicht um den religiös neutralen Staat, sondern um den weltanschaulich neutralen Staat. Jedenfalls bei Weltanschauungen, die sich im Rahmen des Grundgesetzes bewegen, egal ob es sich um religiöse oder nichtreligiöse  handelt. 
Deshalb geht nicht die mindeste Gefahr einer Ungleichbehandlung von einem säkularen Staat aus. Im Gegenteil, er ist erst die Gewähr für Gleichbehandlung. Wenn Unterricht weltanschaulich neutral zu erfolgen hat, dürfen dort weder religiöse noch areligiöse Weltanschauungen im Sinne von „Erziehung zu“ vermittelt werden, nicht christliche, muslimische und pastafarianische, aber auch nicht humanistische, existenzielle, kommunistische und alle anderen. 
Vertretern der strikten Trennung von Staat und Religion geht es also durchaus um Neutralität. Genau um die Neutralität, die Andersartigkeit erst wirklich ermöglicht. Nur wenn der Staat  jeder Weltanschauung die absolut gleiche materielle Unterstützung gibt, nämlich keine, nur wenn keine Weltanschauung Sonderrechte bekommt und für alle Bürger gleiches Recht gilt, ist ein faires Miteinander vielseitiger Anschauungen möglich.

Nachtrag: Lesenswerte Entgegnung von Skydaddy auf Sven Speer